Station 12

Kraftwerk Hottingen

Die Informationstafel des Murgtalpfads vor dem Kraftwerk hat Sie bereits mit der  spannenden Geschichte von Ferdinand Faller und seiner Vision eines modernen Wasserkraftwerks vertraut gemacht. Lassen Sie uns diese Geschichte nun vertiefen und einen genaueren Blick auf die technischen Besonderheiten, die gesellschaftlichen Veränderungen und die Bedeutung für die industrielle Entwicklung der Region werfen.

Das vor Ihnen liegende Kraftwerk Hottingen veranschaulicht eindrucksvoll den technischen und gesellschaftlichen Wandel zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die innovative Anlage nutzt ein ausgeklügeltes System der Wasserführung: Von der Murg wird das Wasser über ein Stauwehr in einen 800 Meter langen Kanal geleitet. Über einen Druckstollen gelangt es zum Wasserschloss mit seinem speziellen Druckregler. Von dort fällt das Wasser 49 Meter in die Tiefe zur Turbine - Energie, die in elektrischen Strom umgewandelt wird.

Die 1908 installierte Francis-Spiralturbine war mit ihrer Drehzahl von 750 Umdrehungen pro Minute und einer Leistung von 220 kW ein technisches Meisterwerk. Der erzeugte Strom wurde über Freileitungen zur 1,8 Kilometer entfernten Weberei transportiert. Bemerkenswert war das installierte Notfallsystem: Bei Problemen konnte innerhalb weniger Minuten auf Dampfmaschinenantrieb umgeschaltet werden.

Die Elektrifizierung veränderte das Leben im Murgtal fundamental. Wo zuvor nach Einbruch der Dunkelheit nur Öl- und Petroleumlampen leuchteten, erhellte nun elektrisches Licht Häuser und Arbeitsplätze. In der Weberei ermöglichte dies längere Produktionszeiten und bessere Arbeitsbedingungen. Die gleichmäßige Kraft der Elektromotoren sorgte für eine höhere Qualität der gewebten Stoffe.

Die neue Mechanische Buntweberei mit ihren 166 elektrisch betriebenen Webstühlen stand für diese industrielle Revolution. Jeder Webstuhl, angetrieben von einem eigenen Elektromotor, lief gleichmäßiger als die früher üblichen, von Transmissionsriemen betriebenen Maschinen. Die 30 Arbeiterinnen und Arbeiter der ersten Stunde bedienten jeweils 5-6 Webstühle gleichzeitig - eine beeindruckende Effizienzsteigerung. Die Weberei spezialisierte sich auf gemusterte Baumwollstoffe für Hemden und Kleider, deren Qualität dank der besseren Beleuchtung nun auch zuverlässiger kontrolliert werden konnte.

Heute, modernisiert und von der Energiedienst AG betrieben, versorgt das Kraftwerk weiterhin zahlreiche Haushalte und erinnert an die Pionierarbeit der frühen Elektrifizierung. Mit diesem bedeutenden Zeitzeugen der Industrialisierung endet unsere Reise durch die Geschichte der Wasserkraftnutzung. Von den frühen Wasserrädern über die verschiedenen Turbinenentwicklungen bis hin zu diesem noch heute aktiven Kraftwerk haben Sie die beeindruckende Entwicklung der Wasserkrafttechnik nachvollziehen können.

KRAFTWERKSGEBÄUDE

KRAFTWERKSGEBÄUDE

Dieses Projekt wurde gefördert durch den
Naturpark Südschwarzwald e. V. mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Lotterie Glücksspirale.